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Neu-Ulms einzig{artig}e Profi-Bühne: "Drei Mal leben" von Yasmina Reza

Premiere: Oktober 2001

Ines Claudia Riese
Sonja Su Bernert
Henri Heinz Koch
Hubert Hans Poeschl
Regie: Ralf Milde
Bühne Ralf Milde / Interni by Inhofer-Team


Drei Mal Leben

(von links:) Su Bernert, Claudia Riese, Hans Poeschl, Heinz Koch

In „Drei Mal Leben“ gibt es jede Menge Szenen zweier Ehen. Die Autorin Yasmina Reza („Kunst“) lässt fünf Menschen aufeinander los - zwei Ehepaare und ein Kind. Drei Mal Leben - drei Mal Zoff. Wir kennen das Prinzip vom Film "Lola rennt". Aus einer Grundsituation entwickeln sich drei verschiedene Geschichten. So läuft's auch in Yasmina Rezas "Drei Mal Leben". Das Publikum sieht drei Versionen eines Abends, sieht diese fünf Menschen drei Mal in neuen Konstellationen und Koalitionen, mit anderen Finten, Taktiken und Manövern: jeder gegen jeden, jeder mit jedem und jeder für sich. Auch das Kind kämpft einsam und verzweifelt in seinem Zimmer um einen Keks nach dem Zähneputzen.
Drei Mal entwickelt sich der verunglückte Abend zur Katastrophe; erst als Komödie, dann als Farce und schließlich als Melodram.



Neu gemischtes Doppel

Von unserem Mitarbeiter Christian Oita

Der Haussegen hängt schief bei Sonja (Su Bernert) und Henri (Heinz Koch). Allabendlich werden die Finanzexpertin und der Astrophysiker von ihrem sechsjährigen Sohn tyrannisiert. Apfelhälften, Schokofinger und Apetithäppchen lässt sich das verwöhnte Balg ins Kinderbett servieren, erst nach dem Zähneputzen natürlich. Die Nerven liegen bereits blank, als es an der Haustür klingelt. Das eingeladene Pärchen Hubert (Hans Poeschl) und Ines (Claudia Riese) taucht zu später Stunde auf, ist insgesamt aber einen Tag zu früh dran.

Unfreiwilliges Quartett

Henri öffnet seinem Kollegen und dessen laufmaschengeplagten Gattin, löst zugleich eine ganze Reihe kleinerer bis größtmöglicher Katastrophen aus. Der Gastgeber erhält eine berufliche Hiobsbotschaft, versucht sein Bestürzen zu überspielen, später zu ersaufen. Auch den gereizten Gästen steigt der Wein in die Köpfe, ein Streit ist nicht länger vermeidbar. „Der schlimmste Abend meines Lebens“, verkündet die trunkene Ines, bevor sie ihren Mann aus dem Appartement zerrt.

Soweit der pointenreiche erste Teil von Yasmina Rezas neuem Stück „Drei Mal Leben“, welches vergangenen Freitag am Theater Neu-Ulm süddeutsche Premiere hatte. Irgendwo zwischen „Who’s afraid of Virginia Wolf“ und „Dinner for one“ funktioniert dieser erste Teil wie ein gut geölter Loriot-Sketch. Die Gags zünden, das Darstellerquartett agiert und reagiert wunderbar. Genüsslich führt die Autorin hier reiche Großstädter samt ihren urbanen Neurosen vor. Mit permanent überheblichem Ton in der Stimme verzapft Hans Poeschl als Zyniker vom Dienst seine One-Liner. Wenn Claudia Riese im Angesicht des Suffs immer mehr zu entgleisen droht, sind ihr die Lacher ebenfalls sicher.

In der zweiten Episode wird der Uhrzeiger zurück - und der Spieß umgedreht: Gleicher Abend, gleiche Personen, neues Verhalten. Der Gastgeber ist deutlich besser gelaunt, nimmt folglich die schlechte Nachricht nicht so tragisch. Beim dritten und letzten Durchgang ist das Schicksal dann ganz und gar auf der Seite des Physikers.

In seiner schleichenden Wandlung vom schwächelnden Hanswurst zum starken
Hausherren fungiert Heinz Koch während der knapp 90-minütigen Pseudo-Komödie als Katalisator. Nach längerer Dürrephase endlich wieder als Acteur gefordert, treibt der Prinzipal hier die Geschichte maßgeblich voran. Gegen Ende ist er es, der das Tempo fast im Alleingang bestimmt - und das Publikum bei der Stange hält.

Inmitten metallern-unterkühlten Kulissen voller blitzendem Chrom und schicker Designermöbel, legt Gastregisseur Ralf Milde die verborgenen Existenzängste der Protagonisten frei. Stilsicher hat er sein Ensemble in Szene gesetzt.

„Drei Mal Leben“ ist modernes Boulevard mit Köpfchen. Das Theater Neu-Ulm mausert sich indes zum regionalen Spezialisten für zeitgenössische Stoffe.

Neu-Ulmer Zeitung, Montag, 1. Oktober 2001



Die Fassade des Anstands bröckelt hemmungslos

NEU-ULM - Unterhaltsam und nachdenklich, nie sentimental oder selbstgefällig, das ist die Inszenierung des Augus-Theaters Neu-Ulm von Yasima Rezas Stück "Drei Mal Leben".

Von unserem Mitarbeiter Jens Michael Reiser

Drei Versionen eines Besuchs mit zwei Paaren und einem nicht sichtbaren Kind. Drei Versionen eines Abends mit den selben Personen, mit den selben Nöten und Wünschen, doch jedes Mal in neuen Konstellationen und Koalitionen - dies macht den Reiz von Yasima Rezas Stück aus.

Der kleine Balg liegt mit frisch geputzten Zähnchen im Bett und will einen Keks oder Schokofingers. Deshalb plärrt, quengelt und brüllt er bis seine Eltern genervt sind und alle pädagogischen Grundsätze fahren lassen: Sie geben dem Brüller im Bett etwas zu essen. Groß ist die Heiterkeit bei den Zuschauern der Premiere am Freitag-abend im Augus-Theater, wenn zu Beginn der Aufführung ein unsichtbares Kind lauthals brüllt und sich seine Eltern um die Frage streiten, ob es nach dem Zähneputzen noch was essen darf. Doch der scheinbar harmlose Disput über die Erziehung eskaliert und erweist sich rasch als die Endphase eines Ehekrieges, der nur noch ein Ziel kennt: Oberhand über den Partner zu erlangen.

Arm an Handlung, aber reich an pingponghaften, pfiffigen Dialogen entwickelt sich eine Komödie voller Hintersinn und ein Simulationsspiel der eitlen Begierden und der allseits durchschauten, aber zielorientiert befolgten und verfolgten Konventionen. Chef und Chefin kommen zu Besuch, einen Tag zu früh. Was nicht das schlimmste wäre, auch wenn es statt einem opulenten Essen nur Knabberzeug zu essen gibt.
Hubert wird an diesem Abend verkünden, dass ein anderer Wissenschaftler Henris Forschungen zuvorgekommen ist und bereits veröffentlicht hat.

Eine bittere Erkenntnis tut sich auf: drei Jahre des Forschens werden mit einem Satz zur Makulatur, die Hoffnung auf eine wissenschaftliche Karriere weiter entfernt denn je. Einschmeicheln? Nicht mehr nötig. Höflichkeiten? Wozu noch? Die Autorin Yasima Reza lässt die Fassade des Anstands bröckeln, erst vorsichtig, dann immer hemmungsloser. Die vier Protagonisten können sich austoben in Gesten, Gesichtszügen und Slapsticks, sich angeekelt oder um Liebe bettelnd darstellen, sarkastisch oder schleimend geben.

Heinz Koch als ruinierter Wissenschaftler und Susanne Bernert als dessen Ehefrau und Rechtsanwältin außer Diensten, Hans Poeschl als aalglatter Vorgesetzter und Claudia Riese als dessen Ehefrau, sie alle verstehen es den drei Szenen verblüffende, neue Perspektiven zu geben.

Regisseur Ralf Milde und das Schauspielerquartett lassen ein Ränkespiel werden, bei dem die Ehepartner sich gegenseitig öffentlich erniedrigen und wie Hyänen übereinander herfallen. Das nach oben hin offene Bühnenbild eines funktional eingerichteten Wohnzimmers mit schwarzem Hintergrund ist der passende Rahmen für all die menschlichen Abgründe, die sich mit scheinbar beiläufigen Bemerkungen oder Gesten, gnadenlos wie leichthändig, auftun. Die vielen Stimmungswechsel, häufig nur leicht nuanciert angedeutet, verleihen dem Stück seinen eigentümlichen Reiz und seine Stärke. Das Ensemble stellte sich dieser schauspielerischen Herausforderung und ist nicht daran gescheitert, sondern verstand es Witz und Wehmut zu vereinen.

Schwäbische Zeitung, Montag, 1. Oktober 2001



Premiere /Yasmina Rezas "Dreimal Leben"' im Theater Neu-Ulm

Zwei Ehekriege mal drei genommen

Ein Ehekrieg ist nicht genug. In Yasmina Rezas "Drei mal Leben", das im Theater Neu-Ulm Premiere hatte, gehen zwei Ehepaare gleich in drei Varianten aufeinander los. Ein ungeschönter Blick auf klägliche Existenzen, die um ihre Würde kämpfen.

CHRISTINA MAYER

"Mach Heia, Arnaud!" Arnaud (6) denkt nicht dran. Arnaud will einen Keks. Also plärrt er. Und was tun die Eltern? Sie versuchen es erst mit Pädagogik: "Nach dem Zähneputzen gibt es keinen Keks mehr". Dann mit List: "Vielleicht einen Apfel?". Dann mit gutem Zureden und letztlich mit gesteigertem Zurückplärren. Der
Zuschauer amüsiert sich über die Zermürbungskraft eines quengelnden Kindes.

Mit dieser Alltagsszene beginnt Yasmina Rezas Gesellschaftskomödie "Drei Mal Leben", die im Theater Neu-Ulm Premiere hatte. An der Kindererziehung entzündet sich ein haarspalterischer Disput zwischen dem Ehepaar Henri (Heinz Koch) und Sonja (Susanne Bernert). Aber es ist mehr als ein Streit. Das plärrende Kind (Lena-Lara) spült bei seinen Eltern Ohnmachtsgefühle und erlittene Kränkungen hoch. Mitten in diese unterkühlte Stimmung platzt Henris Chef Hubert (Hans Poeschl) mit
seiner Frau Ines (Claudia Riese). Völlig überraschend, einen Tag früher als erwartet, also sehr ungelegen. Das ergibt eine denkbar ungünstige Konstellation der Begegnung, zumal der Astrophysiker Henri schon länger nichts mehr veröffentlicht hat und nun auf die Unterstützung durch Hubert hofft.

Doch der kostet die Situation als Überlegener grenzenlos aus. Die Begegnung der vier Intellektuellen wird zum überbordenden Ränkespiel, in dem jeder zu immer schärferen Waffen greift. Geschliffene Dialoge voller Schärfe zielen messerscharf auf schon vorhandene Wunden. Sonja führt ihren Versager-Ehemann vor,
Jammerlappen Henri ist unterwürfig bis zur Selbstaufgabe. Hubert spielt den Unausstehlichen, und Ines steigert sich zur hysterischen Zicke.

Zunächst wird noch parliert, dann attackiert. In "Drei mal Leben" wird die Begegnung der Paare in drei Spielarten gezeigt. Vor allem Henri schafft es in der letzten Version, sich zu emanzipieren, während Ines zunehmend nicht einmal mehr im Bodensatz ihres Weinglases Halt findet.

Alle vier Schauspieler spielen nicht, sondern sie arbeiten hervorragend und präzise. Ihr Vorgehen spielt sich für den Zuschauer gleichsam hinter Glas ab: Nicht wirklich nahe gehend, aber amüsant bis faszinierend. Nie langweilend. Nie herzergreifend.
Die unterkühlte Distanz tut sich besonders dann auf, wenn Macht und Ohnmacht, Leere und Lieblosigkeit durchbrechen.

In der Inszenierung von Ralf Milde unterstützt das Bühnenbild die emotionale Kälte. Blechtafeln bilden den Fußboden, und in der Bühnenmitte steht eine lederkalte Sitzbank, für die die Bezeichnung Sofa viel zu plüschig wäre. Glas und Chrom beherrschen die Luxus-Landschaft, die nicht von ungefähr wie das Interieur eines
Möbelhauses der oberen Preisklasse aussieht: Ein Sendener Möbelhaus zeigt sich für das Bühnenbild verantwortlich, und das werbewirksame Label prangt zentralperspektivisch mitten im Bühnenhintergrund. Auch für die Kostüme, edle
Designer-Klamotten, steht der Name eines Modehauses. Die Bühne ist vor allem raffiniert. Sie geht zum einen über den eigentlichen Bühnenrand hinaus, öffnet eine zweite Ebene und bezieht auch den Zuschauerraum mit ein. Eine quer verlaufende
Stange dient zum Lümmeln, ist gleichzeitig Trennlinie und verbindendes Element, an dem entlang sich ein Paar nähert, das eigentlich nicht zusammen gehört.

In "Drei Mal Leben" bleibt dem Zuschauer nicht die Luft weg und auch das Lachen nicht im Halse stecken. Es berührt vor allem die Faszination des Schauspiels und die hervorragend gespielte Illusion, dass man sich gegen solche fiese Feindseligkeiten wappnen kann.

Südwest Presse, Montag, 1. Oktober 2001






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