SCHAUSPIEL / Claudia Riese
steht seit 20 Jahren auf Ulmer Bühnen
Alles von
der Pike auf gelernt
Am Sonntag
wird das Jubiläum mit einem Fest-Programm gefeiert
"Träume? Hab' ich eigentlich nicht.
Ich glaube, dazu habe ich keine Zeit." Kein Wunder: Claudia
Riese ist gerade mal 39, Mutter dreier Kinder, Schauspielerin
und Theaterleiterin. Und in zwei Monaten wird sie Großmutter
- ein Leben im Zeitraffer.
HELMUT PUSCH
Sie ist noch keine 40 Jahre alt und schon eine
Ulmer Institution: Claudia Riese. In unzähligen Inszenierungen
stand sie auf der Bühne. über ein Jahrzehnt lang im
Westentaschen-Ensemble Theo Dentlers, seit einigen Jahren zusammen
mit Heinz Koch im eigenen AuGuS-Theater Neu-Ulm.
"Ich war immer theatervernarrt",
sagt sie. Schon als Zwölfjährige war sie regelmäßig
im Westentaschentheater, ihre größere Schwester Tine
war damals mit Markus Dentler, dem ältesten Sohn Theo Dentlers,
liiert. Claudia arbeitete bald mit, als Platzanweiserin, später
an der Kasse, schließlich auf der Bühne. "Ich
hab' da wie eine Elevin alles gemacht, hab' also Theater von
der Pike auf gelernt."
Und da war ja auch noch Thomas Dentler, der
heutige Westentaschen-Chef, in den sich die 16-jährige
Claudia verguckte. Sie wurde schwanger - mit 17. Die Prüfung
zur Mittleren Reife stand vor der Tür. "Alle haben
gesagt: Das schaffst du nie - Kind und Schule", erzählt
sie. "Und das hat mich gefuchst, ich wollte das Gegenteil
beweisen." Sie tat es, wurde Mutter, bestand die Prüfung,
machte gleichzeitig ihre erste Regieassistenz in der Westentasche,
heiratete Thomas Dentler. Wenig später stand sie selbst
auf der Bühne - in Christopher Frys "Ein Schlaf Gefangener".
Und noch einer stand damals das erste Mal auf den Bühnenbrettern
in der Herrenkellergasse: Heinz Koch, der heute ihr Partner
beim AuGuS-Theater ist.
Dort und im Fundus-Theater in der Deinselsgasse
spielt sie regelmäßig, legte 1984 die Schauspielprüfung
ab, arbeitete als Regisseurin. Ihr schlimmstes Erlebnis auf
der Bühne? "Das war bei einem Gastspiel im Gsondheitsmuffel."
Theo Dentler, der den Gsondheitsmuffel gab, sprang plötzlich
im Text, ließ ganze zehn Seiten aus. "Ich habe mitgemacht.
Nur, einige Sätze weiter merkte Theo, wo wir waren und
ist wieder zurückgesprungen im Text." Der Albtraum
jedes Schauspielers - "und das alles ohne Souffleuse, die
konnten wir uns nie leisten," sagt Claudia Riese.
1994, nach dem Tod Theo Dentlers, kam der Bruch.
Claudia Riese und Thomas Dentler trennten sich: privat und beruflich.
Zusammen mit Heinz Koch gründete Claudia Riese das AuGuS-Theater.
Der Name steht für Autonomes Goethe- und Schillertheater.
Was das bedeuten soll? Nicht viel. "Wir brauchten einfach
einen Namen für ein Gastspiel in Berlin", erzählt
Heinz Koch. "Hätten wir uns nur autonomes Theater
getauft, dann wären die älteren verschreckt worden.
Und als reines Goethe- oder Schillertheater hätten die
Jüngeren wohl keine Lust auf uns gehabt."
Seit drei Jahren hat das AuGuS-Theater eine
feste Spielstätte im Neu-Ulmer Konzertsaal - und einen
festen Zuschauerstamm. "Wir können uns nicht beklagen,
meistens ist das Haus voll." Noch Träume? "Eigentlich
nicht. Wir sind unsere eigenen Chefs, wenn wir etwas machen
wollen, dann tun wir es", sagt Claudia Riese. Und was die
Schauspielerei angeht, strebt man im Hause nach anderen Zielen.
Tochter Joana besucht die Schauspielschule in Berlin, Sohn Benjamin
bereitet sich ebenfalls darauf vor und auf seine Vaterschaft.
Was Claudia Riese mit 39 zur Oma macht.
Aber vorher wird erst mal der 20.Bühnen-Geburtstag
gefeiert: Am Sonntag, 19 Uhr, im Cafe Brettle (Kohlgasse). Fürs
Publikum gibt es ein Überraschungsprogramm und als Geburtstagsgeschenk
freien Eintritt.
Südwest Presse, 31. März 1999
|