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„Der Ansager einer Stripteasenummer
gibt nicht auf“
Farce von Bodo Kirchhoff; Premiere: Januar
2004
Regie: Heinz Koch; mit: Peter Jährling
als Andreas
Ein exaltierter Typ hat zu einem Event eingeladen,
man könnte sagen: zu einer besonderen Fete, zu einer Art
Schlampen-Gala oder Luder-Party oder so. Adresse: Silcherstraße
2 in Neu-Ulm, direkt neben dem AuGuS-Theater Neu-Ulm. Fackellicht
am Eingang, persönliche Begrüßung, kleiner Prosecco.
Man kann im guten Fummel kommen oder schrill oder normalo, Hauptsache,
man kommt und ist dabei. Jedenfalls versprechen die Gastgeber
als Attraktion „den letzten klassischen Striptease auf deutschem
Boden“.
"Der klassische Striptease sieht ja vor,
daß jemand vollständig bekleidet, also wie ich, eine
Bühne betritt und vollständig unbekleidet wieder verläßt
- und was dazwischen liege, sei Geschmacksache, sagt Andreas Mutter
... (früher selbst in dem Beruf, eine der Großen des
klassischen Striptease, Erfinderin der nackten Pietà und
anderer Figuren, jetzt im Privatleben)."
"...die ganze Sexualität ist überhaupt
ein einziges Schlamassel, sie verursacht nur Migräne. Viel
vernünftiger wär eine natürliche Paarungszeit,
man tut's nur, wenn's soweit ist, sagen wir im November, wenn
sowieso alles finster wird, das hieße, elf Monate Frieden,
wobei ich nicht sicher bin, ob hier dann noch jemand säße,
außer im November."
...eine der entscheidendsten Fragen im Leben ist
ja: Was macht man, langfristig, mit dem anderen. Ich weiß
noch nicht, was ich da langfristig mache."
Publikumsstimmen:
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Tragikomisches Stück von Bodo Kirchhoff im Theater
Neu-Ulm - Schlüssellocherlebnis
Warten auf das Striptease-Girl
Von unserem Redaktionsmitglied
Peter Michael Bluhm
Alle Register seines Könnens musste Peter
Jährling in einer fulminanten
Ein-Mann-Show am Freitagabend bei der Premiere von Bodo Kirchhoffs
„Der Ansager einer Stripteasenummer gibt nicht auf"
im Theater Neu-Ulm ziehen:
Zwei Stunden spielte er mit dem Publikum Gefühlstheater als
tragikomischer Philosoph einer ausgestorbenen Körperkultur.
Vor zehn Jahren hatte der Schriftsteller und Drehbuchautor
der Single-Generation, Bodo Kirchhoff, mit dieser Farce den „letzten
klassischen Striptease auf deutschem Boden" ausgerufen.
Seitdem gehört das Einmann-Stück zu den großen
Herausforderungen deutschsprachiger Darstellerkunst Die Story
ist schnell erzählt: Ein Ansager betritt die leere Bühne
mit einem schlichten Stuhl und kün-digt Andrea, die Stripperin
an. Doch das Pu-blikum wird immer wieder vertröstet; mit
je-der Verzögerung ist der Ansager gezwungen, etwas Neues
zu erfinden, um das Publikum hinzuhalten. Der Ansager im kuschelig-schummrigen
Striptease-Lokal beginnt als routinierter Variete-Conferencier,
kündigt als „Diener einer Dienerin" den Star des
Abends an und philosophiert, dass „Nacktheit das undurchsichtigste
aller Kleider sein kann". Andrea, die bald ihr Fleisch
zur Schau stellen soll, sei selbst Vegetarierin und scheue sogar
den Anblick von Fleisch jeder Art".
Auf nackte Tatsachen muss das Publikum noch lange
warten, aber es wird (bis auf zwei Unterbrechungen) pausenlos
mit prickelnden Andeutungen versorgt - schließlich ist,
so der Ansager, Erotik eine Sache des Hirns, vor allem, wenn
es auf den Höhepunkt zugeht: „Andrea kommt und ich
bin weg, ohne ein Wort zu verlieren, nähert sie sich
nun diesem gewöhnlichen Stuhl und lässt sich schließlich
darauf nieder und auch alles Weitere entwickelt sich, als sei
Andrea völlig allein, als säßen Sie hier nur vor
einem Schlüsselloch und guckten ihr beim Ausziehen zu; genau
dies ist nämlich die Kunst des klassischen Striptease: Ein
Sich-Unbeobachtet-Glauben glaubhaft zu machen".
Doch Andrea kommt immer noch nicht, der Conferencier
mutiert zum tuntigen Entertainer, spielt eine schräge Mundharmonika,
steppt über die kleine Bühne wie ein zu kolossaler
Fred Astaire und singt den ewigen Stripper-Ohrwurm „Fever"
mit einer Inbrunst, dass man für einen Moment Andrea, die
Angekündigte, vergisst. Dann ist sie wieder da. Zumindest
im Geiste, wird plötzlich Andreas genannt und der Entertainer
schminkt sich auf offener Bühne - immer schwatzhafter und
aufgedrehter - in die weibliche Rolle hinein.
Andreas alias Andrea bleibt fern. Für den
Moment eines Blitz-lichts zeigt sich der/die Ansa-ger(in) - von
hinten - so gut wie nackt. Ende der Vorstellung.
Peter Jährling, Schauspieler, Theatermacher,
Tanz-Theater-Akteur aus Darmstadt, mutet sich den schwierigen
Akt zu, als Alleindarsteller das Publikum zwei Stunden lang ständig
in Spannung zu halten. Er spielt virtuos mit den Geschlechterrollen,
kokettiert mit Tabuzonen, ohne ins Geschmacklose abzugleiten und
trifft die tragikkomische Figur des sich wandelnden Ansagers punktgenau,
Das Publikum spendete dem Solisten und Re-gisseur Heinz Koch begeisterten
Applaus.
Der Autor Bodo Kirchhoff hatte 1994 mit dieser
elegant-schlüpfrigen Farce das Fernsehen als „Totengräber
der Erotik" im Visier. Was hätte er heute angesichts
der jetzigen medialen Volksverdummung zu Papier gebracht? Eine
hypothetische Frage. Gleichwohl der Tipp des Tages: Glotze abschalten
und ins AuGuS-Theater gehen: Ein Schlüssellocherlebnis wartet
und ein Selbsttest kann gemacht werden, wie gut der Erotikgenerator
im eigenen Kopf noch funktioniert.
Neu-Ulmer Zeitung Montag, 19. Januar 2004
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PREMIERE /"Der Ansager einer Stripteasenummer
gibt nicht auf"
Zwei mondbleiche Pobacken sind noch nicht
alles
Was ist nun prickelnder? Das darüber reden
oder das darunter zeigen?
Im Neu-Ulmer AuGuS-Theater jongliert Peter Jährling in Bodo
Kirchhoffs
Bühnen-Farce ,,Der Ansager einer Stripteasenummer gibt nicht
auf" mit
reichlich Verbalerotik und Seelenstriptease.
CHRISTINA MAYER
Kommt sie nun oder kommt sie nicht? Andrea, eine
klassische Stripperin, ist
angesagt. Aber in Bodo Kirchhoffs Stück erscheint die Dame
nicht. Das ist
eine ziemlich ungemütliche Situation für den Ansager
der Schönen.
Schließlich wartet das Publikum auf nacktes Fleisch. Aber
auch wenn Andrea
nicht kommt, ,,Der Ansager einer Stripteasenummer gibt nicht auf".
Die
Nummer wird durchgezogen. Im AuGuS-Theater Neu-Ulm war Premiere.
Der Ansager Andreas (Peter Jährling) überbrückt
die Wartezeit und erzählt
dem Publikum schon einmal, was es in Kürze erwarten darf:
Kein einfaches
Kleider fallen lassen, beileibe nein, Andrea pflege eine wahre
Kunstform.
Man dürfe kein laienhaftes Entgegentaumeln erwarten, nein,
das Publikum
wohne einer Zeremonie bei, in der selbst das Kratzen unter dem
Arm mit
einer hinreißend obszönen Bewegung geschehe.
Lustvoll spannt Peter Jährling die Sehne
des Erwartungsbogens und gibt dazu
eine Einführung in Andreas Choreographie. Der Schauspieler
umtänzelt
behende den plumpen Wirtshausstuhl, auf dem die Räkelnummer
stattfinden
soll. Mit umflorten Augenaufschlag seufzt er Schwüles ins
Bühnenmikro. Viel
Inspiration zur Transpiration. Unter der Regie von Heinz Koch.
Schwatzhaft
und schüchtern zugleich ergeht sich Peter Jährling in
schwärmerische
Details, verhehlt seine Verehrung für Andrea nicht und gerät
ob seiner
blumigen Verbalerotik selber in Verzückung. Nun darf und
will man nicht
erwarten, dass sich der Schauspieler besonders zugeknöpft
zeigt. Die oberen
zwei Knöpfe dürfen es schon sein und das delikate Spiel
mit der eigenen
Brustwarze ist - rein erotisch gesehen - der Höhepunkt der
Koketterie.
Drunter sieht es nicht ganz so lustig aus.
Am Schminktisch
Peter Jährling balanciert auf dem schmalen
Grat der Verlorenheit und
Selbstironie. Er lässt tiefer blicken als zwischen zwei Schenkel.
Die
erniedrigende Mutter hat ihn dorthin gebracht, wo er jetzt ist
und weil die
Tränen des Selbstmitleids nicht so richtig fließen
wollen, tupft er sie
sich selber ins Gesicht. Bei aller Liebe zur sezierenden Egomanie:
Bei
nackter Haut hört die Selbstzerfleischung noch lange nicht
auf.
Da nun Andrea immer noch nicht erscheint, schlüpft
der Ansager in die Rolle
der Stripperin. Ein bisschen Körperkultphilosophie am Schminktisch
(Bühne
Claudia Riese) überbrückt die Wartezeit. Dann tritt
Andreas Andrea im
langen Abendkleid auf, in dessen Rückenausschnitt sich ein
behaarter
Bauarbeiterrücken allzu breit macht. Und so schwitzt der
Mann auch.
Zwei Pausen unterbrechen unangenehm den Spielfluss,
den man sich homogener
wünscht. Aber Peter Jährling gelingt die Koketterie
eines Bullen ebenso wie
die Zartheit einer in der Welt Verlorenen. Bleibt noch die Antwort
auf die
Anfangsfrage, das darüber reden oder das darunter zeigen.
Darüber reden ist
eindeutig prickelnder. Zwei mondbleiche Pobacken sind noch keine
himmlische
Verheißung.
Südwest Presse Montag, 19. Januar 2004
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Wenn SIE's gut haben wollen: go Neu-Ulm!

Auch im Winter: Eis- Zeit am Petrusplatz

Gut essen und trinken gleich bei uns nebenan
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